Germany – Bochum

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Bochum

Datum: September 2010
Tisch: 50 Meter
Team: Reiner Hofmann, Klaus Vogt, Johannes Volkmann
Film: Broka Herrmann
Foto: Johannes Volkmann
Partner: Festival FIDENA: Anka Meyer, Annette Dabs

Bochum, die Stadt mitten im Ruhrgebiet, sucht im Strukturwandel ihr neues Gesicht. Das brachliegende Krupp-Stahlwerk, einen Steinwurf von der Fußgängerzone entfernt, umfasst fast dieselbe Fläche wie das Zentrum selbst.

Reisebericht von Johannes Volkmann

Wir waren enttäuscht vom Wetter, aber erfüllt von der hilfsbereiten Stimmung.

In Bochum mussten wir den Tisch neben einer Baustelle errichten, denn die Fußgängerzone wurde neu gepflastert. Er stand gegenüber des Sparkassengebäudes mitten auf dem Platz. Das Wetter war mäßig, vielleicht waren auch deshalb so wenig Menschen auf den Straßen. Vielleicht gingen auch deshalb die Menschen oft zielstrebig ihrer Wege und kreuzten den Platz zügig. 

Wir hatten wieder zwei Redner geladen: einen Pfarrer und einen Wohnungslosen. Sie hielten vor einer kleinen Gruppe von Passanten eine Ansprache am Tisch. Zuvor hatte die Fanfare La Confiance aus Kinshasa (Kongo) am Tisch Musik gemacht, denn das Projekt fand im Rahmen der “Fidena”, dem internationalen Figurentheater Festival statt. Der Himmel hellte sich auf und nach und nach fanden Leute zum Tisch. „Freunde“, schrieben vier Jugendliche gemeinsam in den Teller, „Du“, ein verliebtes Pärchen. Ein verwaist aussehender Mann umkreiste lange den Tisch, dann schrieb er: “Ein Leben ohne Alkohol.“ Wir hörten überraschend viel von persönlichen Schicksalen. Die Menschen waren sehr offen. „Mein Sohn“ schrieb ein schwarz gekleideter Mann in einen Teller und erzählte mit Tränen in den Augen, dass dieser sich vor ein paar Tagen das Leben genommen hatte.

Es begann zu regnen und wir mussten eine große Folie über den Tisch ausbreiten. Passanten halfen spontan mit, den Tisch vor dem Regen zu schützen. Das Café an der Ecke des Platzes brachte unverhofft allen Helfern heißen Kaffee. Und wir alle standen tropfnass auf dem Platz, waren enttäuscht vom Wetter, aber erfüllt von der hilfsbereiten Stimmung. 

Später deckten wir die Folie wieder ab und es ging weiter. Die Menschen kamen unter ihren Regenschirmen hervor und beteiligten sich. „Hoffnung“ schrieb ein junger Türke und eine Studentin formulierte, “Zu wissen, dass das Leben endlich ist.“ Ein Opelarbeiter erzählte uns vom dortigen Arbeitskampf und den Rettungsmaßnahmen und schrieb „Gut bezahlte Arbeit.“

Auch wir mussten den Tisch wieder retten, denn es begann erneut zu regnen. Alles war klamm, das Papier an vielen Stellen aufgeweicht. Und wieder waren Passanten zur Stelle, die mithalfen. Wir beendeten den Tag etwas früher. Alle 200 Teller waren beschrieben und wir waren uns nicht ganz sicher, ob es jetzt ein gelungener oder ein missglückter Tag gewesen war. Für die Menschen, die sich am Tisch beteiligt hatten, sicher ersteres. Für alle anderen druckten wir wieder Siebdruck-Postkarten, die in der Stadt auslagen.