Germany – Nürnberg

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Nürnberg, Hauptmarkt

Datum: Mai 2009
Tisch: 50 Meter
Team: Martin Ellrodt, Rosa Halbig, Reiner Hoffmann, Frank Jegendsdorf, Jo Leonhard, Johannes Volkmann, Dieter Ziegler, Christoph Zielke, Mariola Taborska
Film: Ralf Hinterding, Joanna Maxellon
Foto:
 Jutta Missbach
Partner: Stadt Nürnberg, Buch Walther König, Faber Castell, Bay Wa

Es war einer dieser ganz normalen Samstage, die Marktleute begannen um sechs Uhr morgens ihre Gemüsestände auf dem Hauptmarkt aufzubauen, während ich mit Freunden auf der anderen Seite des Platzes 100 Schaltafeln und 200 Klappböcke aus dem Transporter lud. Das Material hatte ich mir ausgeliehen oder in Tauschgeschäften beschafft, denn ein Budget für das Projekt gab es nicht. Die Optionen waren: Entweder für das nächste Jahr einen Förderantrag stellen oder direkt zu beginnen und zu hoffen, dass sich die Dinge ergeben. Ich hatte mich für die zweite Variante entschieden.

Schon bei den Vorbereitungen war mit klar, dass dieses Projekt nur mit viel Hilfe zu schaffen war. Die erste dieser Hilfsleistungen war kurios. Ich musste am Vortag der Realisierung alle 250 Teller und das Besteck in Papier einwickeln und diese Arbeit erledigte ich im Nürnberger Rathaus, denn dort konnte ich mein Material lagern. Zwei Passanten gesellten sich spontan zu mir und halfen mit –eine Studentin und ein Obdachloser. Wir unterhielten uns angeregt über das Thema und mir gefiel die Eigenständigkeit ihrer Gedanken. So fragte ich Jürgen, ob er am nächsten Tag eine Rede am Tisch halten wolle. Ich hatte Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly und Renate Schmidt (Familienministerin a. D.) als Redner eingeladen. Er stimmte zu. Nun waren es drei Menschen, die ihre Meinungen äußerten.

Um zehn Uhr eröffneten wir das Projekt feierlich mit einer szenischen Collage. Die Passanten erfuhren in fünf Sprachen den Hintergrund der Arbeit, dann verteilten wir die Stifte.

„Angst verlieren“ stand auf einem der ersten Teller, eine Stunde später war darunter dann noch das bestätigende Wort „genau“ zu lesen. Um den Tisch herum wurde es immer voller, denn die Leute wollten das lesen, was bereits geschrieben worden war: „Loslassen und Nachdenken“, schrieb ein Mann mit Krawatte und Anzug – „Die Erinnerung an meine Großeltern“, eine Schülerin – „Zeit“, eine Frau mit Aktenkoffer. Ich beobachtete, wie die Passanten zum Teil lange nachdachten, bevor sie etwas aufschrieben, wie sie schmunzelnd den Stift weglegten, nachdem sie etwas geschrieben hatten, wie sie an bestimmten Tellern stehen blieben und sich darüber unterhielten. Trotz des allgemeinen Treibens auf dem Hauptmarkt strahlte der Tisch etwas Meditatives aus.

Um zwölf Uhr verkündete Jürgen am bevölkerten Tisch, dass für ihn als Mensch ohne Wohnsitz das Pinkeln in öffentlichen Toiletten unbezahlbar sei, während Herr Maly das Projekt als eine Suche nach einer „Landkarte für immaterielle Werte“ beschrieb und Frau Schmidt die Arbeit als „menschliches Konjunkturpaket“ betitelte. Anschließend schrieb eine junge Frau „Mein eigenes Leben“ in einen der Teller.

Wir hatten einen Infotisch aufgebaut, der den ganzen Tag umlagert war. Einige Freunde fanden zum Teil selbst organisiert zusammen und halfen mit. Am Stand gab es Papiertüten im Tausch zu einem Kommentar auf dem Tisch. Papiertüten, in denen die Antworten der „Prominenz“ gestempelt waren, Gedanken für den Nachhauseweg.

Am Ende des Tages waren es Tausende von Menschen, die ihre Meinung geäußert hatten. „Unsere Manager, können wir sie uns noch leisten?“ so eine eher empörte Aussage in einem Teller. Und ich dachte an den Homo oeconomicus (Vilfredo Pareto), der ein vom Gefühl des Mangels getriebenes Geschöpf ist, das den Wunsch hegt, immer mehr zu besitzen. Liegt darin das Glück? Wenn man der Statistik Glauben schenken darf, ist es erwiesen, dass das Glück ab einem bestimmten Wohlstand nicht mehr proportional mit wächst.

„Ganz klarer Fall: Unbezahlbar ist Freundschaft!“ und wir feierten mit allen Freunden und Helfern, die beim Abbau des Tisches halfen, noch lange in die Nacht hinein.




Ausstellung 1: UNBEZAHLBAR

Galerie und Atelierhaus Defet: Nürnberg
Dauer: 22. – 24. Januar 2010
Es spricht: Prof. Götz W. Werner, Gründer der dm- drogerie markt GmbH.

Am 16. Mai 2009 stand auf dem Hauptmarkt in Nürnberg ein großer, eingepackter Tisch, verbunden mit der Frage: Was ist unbezahlbar? Die Besucher haben ihre persönliche Antwort in die Teller geschrieben. Die Ausstellung zeigt Eindrücke und Inhalte dieser Arbeit.

Als Gast begrüßen wir Prof. Götz W. Werner, Gründer der dm- drogerie markt GmbH, der über die Frage spricht: „Was ist unbezahlbar für unsere Gesellschaft?“
Das Projekt UNBEZAHLBAR will alternativen Lebensformen betonen, wie zum Beispiel das bedingungslose Grundeinkommen.

www.grundeinkommen.de