Ireland – Galway

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Galway, Quay Street

Datum: Oktober 2011
Tisch: 40 Meter
Team: Tom Lane, Johannes Volkmann, Sabine Volkmann
Foto: Boyd Challenger
Partner: Goethe-Institut Dublin: Rolf Stehle, Baboró International Arts Festival: Teenagh Cunningham, The Latin Quarter

Es war ein buntes Treiben in der engen Fußgängerzone und das Wetter war uns wohlgesonnen an der rauen Westküste Irlands. Der Tisch wurde zum Stadtgespräch in Galway.

Reisebericht von Johannes Volkmann

Durch die Verweigerung mit Geld zu handeln, entstand Kreativität und Herzenswärme.

Meine Vorstellung, die politischen Aspekte des hochverschuldeten Irlands „auf den Tisch“ zu bekommen, musste ich sehr bald über Bord werfen. Ich dachte darüber nach, wie es wohl einem Volk geht, das als einer der Sündenböcke der Europakrise herhalten musste. Ich fragte mich, wie Einzelne über ihr Schicksal berichten würden, über ihren Aufstieg im Boom und ihren Absturz in der jetzigen Rezession. Ich überlegte mir, wie die Menschen hier über Europa denken, mit ihrer Geschichte einer über Jahrhunderte hinweg armen und fremdbestimmten Insel. Ich freute mich auf diese Auseinandersetzung und hatte wieder einen Filmemacher für diese thematischen Interviews engagiert – aber dann kam alles anders. 

Ein lebenslustiges Volk drängte sich um den Tisch, darunter Hunderte von Kindern, denn das Kindertheaterfestival Baboró hatte eingeladen. Die Freude an diesem Tag im Hier und Jetzt überwog. Kaum packte ich die Stifte aus, wurde sofort begonnen. Mit kindlicher Spontaneität beteiligte sich Jung und Alt, schrieben und malten die Menschen auf den Tisch, aßen, tranken und redeten miteinander. Es herrschte Volksfeststimmung in der engen Fußgängerzone, in der es fast kein Durchkommen mehr gab, so viele Menschen waren hier versammelt. „Pizza und TV“ stand auf einem der bemalten Teller. Die Kinder mit ihren Aussagen hatten die Oberhand. 

Zum Glück stand mir ein zehnköpfiges Hilfsteam zur Seite, das das Kommen und Gehen am Tisch betreute. „Die Natur“, „Meine Schwester“, in einfachen Worten und schönen Bildern äußerten sich die Kinder.

Schön war zu erleben, wie Eltern mit ihren Kindern debattierten, was denn das Unbezahlbare im Leben sei. Es entstanden ganze Gemälde darüber auf dem Tischtuch. Viele Besucher blieben sehr lange. Die Interviews für den filmischen Beitrag blieben in dieser Enge jedoch Theorie. 

Neben dem großen Tisch hatten wir einen Informationsstand errichtet. Es war ein Stand für das Tauschen und Teilen – ein gesellschaftliches Experiment. Die Passanten konnten die Postkarten Edition Unbezahlbar, also alle Bilder der bisherigen Realisierungen, hier erwerben – jedoch nicht mit Geld. Dies war nur im Tausch mit irgendetwas anderem möglich. Die Menschen durchforsteten ihre Taschen und Rucksäcke, … ein Mädchen gab ein Foto ihrer Freundin, ein Mann seine Bonbons, eine Frau ihre Taschentücher für die jeweiligen Postkarten. Es fanden viele unbezahlbare Momente statt, denn durch die Verweigerung mit Geld zu handeln, entstand Kreativität und Herzenswärme. 

Gegen Ende des Tages nahmen die Erwachsenen am Tisch überhand und Besinnliches stand auf den Tellern. „Es kostet keinen Cent, Menschen mit dem Respekt gegenüberzutreten, den jeder verdient hat.“ Der junge Mann war vermutlich ein Aktivist der Occupy-Bewegung. Diese hatte am Tag zuvor ihre Zelte in Galway aufgeschlagen, zufällig parallel zu Unbezahlbar. In dieser kalten und ungemütlichen Jahreszeit wollten sie über Wochen hier auf dem Stadtplatz bleiben, um für gerechtere Lebensbedingungen einzustehen. Und ich dachte an Barcelona: „Nächster Halt, echte Demokratie.“