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Barcelona, Arc de Triomf
Datum: Juni 2011
Tisch: 45 Meter
Team: Paula Jönsson, Stuff Klier, Johannes Volkmann
Film: Nadja Smith & Florencia Giorgetti
Foto: Johannes Volkmann
Partner: Espai de trobada hispano-alemany 2011, Deutsches Generalkonsulat Barcelona, Goethe-Institut Barcelona: Marion Haase, Ursula Wahl, in Zusammenarbeit mit der Stadt Barcelona (Ajuntament de Barcelona)
In Barcelona wurde die Realisierung des Tisches möglich. Es war eine politisch angespannte Zeit in Spanien, denn die „Empörten“ besetzten seit Wochen die Plaza Catalunya.
Reisebericht von Johannes Volkmann
Nach einem Jahr der Vorgespräche standen wir nun auf dem Platz. Der große, lange Tisch stand schon aufgebaut vor dem Arc de Triomf, errichtet von Mitarbeitern des Goethe Instituts. Ich wusste, dass das Projekt – Unbezahlbar in die Deutschen Kulturtage eingebettet werden sollte, und war dann doch überrascht über die ca. 20 Zelte von deutschen Unternehmen und Institutionen, die ebenfalls auf dem Platz aufgebaut waren.
Wir waren somit Teil dieser Gesamtsituation. Und das zu einer Zeit, in der Angela Merkel Spanien gerade erst brüskiert hatte, wegen der spanischen Gurken, die als Sündenbock für den Erreger EHEC herhalten musste. Spanien, das Land, das seit Monaten Schlagzeilen machte. Nach der geplatzten Immobilienblase war die Arbeitslosigkeit drastisch gestiegen und mit ihr der Unmut, besonders bei den jungen Menschen.
Wir verpackten den Tisch in Papier. Die Menschen kamen und schrieben ihre Gedanke in die Teller. Es war ein friedlicher Morgen… und doch wuchs in uns das Unbehagen.
Parallel besetzten seit Wochen Hunderte von Aktivisten die Plaça Catalunya (oder Plaza Cataluña, das wäre die spanische Schreibweise). Wir hatten von der Occupy Bewegung bereits gehört. Es waren zumeist junge Menschen, die eine gerechtere Gesellschaft forderten, ein System mit lebenswerten Zusammenhängen, ein sinnvolles Miteinander, das Chancen für die Zukunft birgt.
Am Vorabend waren wir auf der Plaça Catalunya gewesen und hatten mit ihnen Kontakt aufgenommen. Wir waren alle beeindruckt von dem Mut, der Kraft und der Kreativität dieser Menschen. Sie bauten Baumhäuser in die Alleen, legten Gemüsegärten in den öffentlichen Blumenbeeten an und errichteten somit eine Stadt in der Stadt.
Auch hatten wir die Gelegenheit eine öffentliche Großversammlung mitzuerleben. Vor Sonnenuntergang trafen sich alle Gruppierungen, die tagsüber verschiedene Aktionen durchgeführt hatten, auf dem großen Platz um zu berichten. Tausende saßen friedlich auf dem Boden und lauschten denjenigen, die nacheinander zum Mikrofon griffen. Faszinierend, wie ein Meer von winkenden Händen über Entscheidungen abstimmte – gelebte Demokratie.
Die Mittagssonne stieg über den Unbezahlbar-Tisch und das weiße Papier blendete die Besucher beim Aufschreiben Ihrer Gedanken. Neben den Wünschen nach Gemeinschaft und Gerechtigkeit war die aktuelle Gurkendiskussion vordergründig. „Unsere spanischen Gurken sind bezahlbar, also kauft sie“, so der Tenor der Spanier auf dem deutschen Kulturfest.
Wir waren unschlüssig, hin und her gerissen. Die beeindruckende Ausstrahlung der Occupy Bewegung stand unserem „bürgerlichen Tisch“ entgegen und nach ca. drei Stunden entschieden wir: „Wir gehen mit den Tellern auf die Plaça Catalunya. Wir decken den Tisch zur Hälfte ab und verweisen somit auf die Occupy Bewegung.“ Das GoetheInstitut hatte zwar Bedenken, gab uns aber grünes Licht.
Das Glück war mit uns. Zufälligerweise besuchte mich just zu diesem Zeitpunkt eine spanische Freundin am Tisch. Sie hatte ein Auto und half uns beim Transport der Teller. Unser Team trennte sich, um beide Orte betreuen zu können.
Mitten auf der Plaça Catalunya, umringt von den Behausungen der Occupy-Menschen, rollte ich das Papier auf dem Boden aus und „deckte den Tisch“ mit 80 Tellern. Sofort kamen Menschen vorbei und fragten nach. Ich erklärte ihnen, um was es ging. Das Verständnis war groß und dann … mir fiel siedend heiß ein, ich hatte in der Eile die Stifte vergessen! Doch das Glück war erneut mit mir, ein einzelner Stift war zufällig in meiner Tasche.
Aus der Not wurde ein Ritual. Es bildete sich eine Traube von Menschen, die sich nacheinander hinknieten, um ihre Gedanken zu formulieren. Es entwickelte sich eine feierliche Stimmung und alle anderen Menschen standen in Erwartung herum. „Schaltet den Fernseher aus und seht die Realität“, „Nächster Halt, echte Demokratie“, … so die Aussagen in den Tellern.
Nadia Smith, die als Filmemacherin die Realisierung begleitete, hielt diese ungewöhnlichen Momente fest. Aus ihrem Bericht sollte später ein Dokumentartheater mit Papier entstehen.
Nach fünf Stunden rollte ich das Tischtuch wieder zusammen, erfüllt von so vielen offenen Begegnungen und Kommentaren und fuhr mit dem Taxi zurück zum Arc de Triomf.